für Gerhard Rombach und Jörg Zschocke
Meine Sehnsucht ist ein Landstreicher.
Ein süchtiger Trinker nachts
leert er Reste dunkler Geschichten
studiert Inschriften in Händen und Augen.
Stets trägt er einen Lesestein nah am Herzen.
Von der Blüte des Abends
zählt er Blatt für Blatt
bis zur Narbe vergangener Tage.
Gabriele Pflug
verschwindendes
ein heller handschuh im schnee
ein flüstern auf der schwelle des abschieds
in den fenstern ein stummes winken
was bleibt:
schwarz auf weiß
dein gebundenes wort
für Jörg (1944- 2020)
deine Gabriele
von winterzeit las ich
von winterzeit las ich
in einem gedichtband
von sturm und licht
schneite es unablässig
erhellte schnee die seiten
bis alle buchstaben
ganz in weiß auf den zeilen
haften blieben
Gabriele Pflug
Euch allen wünsche ich ein besinnliches und friedliches Weihnachtsfest und dass sich alle Dinge zum Guten wenden mögen!
phantasia
abends bebt das wort auf der haut
beginnen die sterne zu glühen
heller und heller wurzeln die träume
auf papier und reisen mit dir
ins wilde land in den wilden wald
Gabriele Pflug
in memoriam
wir gehen unter bäumen
und ihr blattloser atem
beschlägt das glas meiner iris
ein winterjammer bricht das schweigen
kein leichtes wird uns bleiben
nichts nur deiner stimme schatten
hält wort über die zeit hinaus
für Gerhard Rombach
Gabriele Pflug
fragment aus der stille 2
so streue dem wort
sand über die augen
und die nacht wird taub
vom geheul der wölfe
in wilden langen sätzen
rauben sie dir den schlaf
fragment aus der stille
im aufblühenden licht verstand ich
den atem einer landschaft in all seinen schattierungen
kupfergold und erde frucht und bäume
in den hautmaserungen wohnten die wandlungen des insekts
und all meine träume wurden kehrichte der jahre
aus denen ein mond geboren und sternzeichen meiner schläfrigkeit
ich höre den wind durch zerzauste worte
wie ein lied aus jungen jahren
als die 13. aus dem schatten trat
weißgold mit schwarzem stein in den augen
und aussprach, bevor sie verschwand
Gabriele Pflug
Wien 2.11.2020
der sturm hat alle lichter gelöscht
auf der flucht ging die enzyklopädie
der gedichte und gesänge verloren
das leben ist auf halbmast gesetzt
Gabriele Pflug
ohne titel
das geschwiegene wort
schläft in den händen
einer alten frau
in den wind blättert sie
ihre toten
hörst du
hörst du
wie sein hauch
sacht
durchs gefieder der namen fährt
Gabriele Pflug
Das Leuchten im Wort
Es ist nichts, nur das Wort, das den Fluss zum Leuchten bringt.
Jede Linie ist ausgeschrieben, jede Haut, jeder Blick.
Das Erinnern durchblättert Biografien. Den Duft der Geliebten, gehüllt in Seidenpapier. Im Vorbeigehen knistert es leise unter dem Blatt.
Es sind die geernteten Jahre an einem späten Nachmittag, in der Faust die Schriftstücke aus Nacht und Schmerz, die stundauf und stundab* am Herzen rissen.
Eine Stimme keimt vom Ufer her auf, wirft ihr Versprechen augenhell über den Spiegel des Wassers.
Mantelschwer zog sie und lichtete den Schlaf am tiefsten Grund.
Es ist nichts, nur dieses Leuchten im bleibenden Wort.
* Aus dem Gedicht „Wasser und Feuer“ von Paul Celan
Gabriele Pflug